Kontinuierliche Verbesserung als Managementtechnik
2.2.1 Der klassische Ansatz des Scientific Managements
Die Jahrhundertwende um 1900 ist geprägt vom Kapitalismus und
einer vielversprechenden Entwicklung in der Technologie. In einem
solchen Umfeld gewinnen Fragestellungen an Bedeutung, die auf eine
Steigerung der Produktivität auf Basis wissenschaftlicher
Erkenntnisse abzielen. Frederick Winslow Taylor14,
einst Lehrling, Ingenieur und später Direktor eines
Stahlunternehmens in Pennsylvania (USA), gilt als einer der Vorreiter
der Betriebsorganisation im Allgemeinen und als Vater des Scientific
Managements im Speziellen. Ihm geht es nicht um eine Ausbeutung
der Arbeiter, sondern um eine wissenschaftlich fundierte Optimierung
der Arbeitsbedingungen, beispielsweise im Hinblick auf Lärm,
Beleuchtung, Bewegungsabläufe, Pausengestaltung et cetera mit
dem Ziel der Produktivitätserhöhung (Hopfenbeck, 1996, S.
210).
Gleichzeitig haben viele Arbeiter vor allem in den größeren
Städten keine Festanstellung, sondern müssen sich
tagtäglich um eine Arbeitsstelle bemühen. Ob sie damit
trotz langer Arbeitszeiten und harter Bedingungen sich und ihre
Familien unterhalten können, hängt zum Großteil von
der Qualität ihrer Arbeit ab und zwar gemessen an den
Anforderungen seitens der Unternehmensführung (Probst, 1992, S.
419ff). Diese Anforderungen sind sehr starr definiert und an den
damaligen wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet, um die
Geschäfte möglichst rationell auszuführen. Dies
beinhaltet insbesondere eine sehr starke Arbeitsteilung und Zerlegung
der Handlungsschritte in möglichst kleine Einheiten15.
Weil der Mensch als ein irrationales Wesen passiv ohne
Eigeninitiative aufgefasst wird und nur aus Eigeninteresse Handlungen
vollzieht, muss sämtliche Verantwortung und Führungsarbeit
strikt von der Ausführung der eigentlichen Arbeit getrennt
werden (Hopfenbeck, 1996, S. 210). Ebenso ist es notwendig,
Qualitätskontrollen durchzuführen. Diese finden im
Nachhinein statt und überprüfen nach festgelegten
Mechanismen, ob die Arbeiter in der gewünschten Art und Weise
produzieren. Auf Grund der fixierten Anforderungen ausschließlich
auf eine hohe Stückzahl bei vorgegebenen Abläufen stellt
eine Person, die mitdenkt und eigene (und auch möglicherweise
sehr sinnvolle) Vorschläge einbringen möchte, keinen
Qualitätsvorteil für das Unternehmen dar.
Der Taylor’sche Ansatz zielt weniger auf ausbeuterische Arbeitsbedingungen und Degradierung der Arbeiter zu bloßen Maschinen ab, sondern vielmehr möchte man mit optimierten Betriebsabläufen gemäß den damals aktuellen Forschungsergebnissen den Mitarbeitern die höchstmögliche Tagesleistung entlocken. „Für die Anhänger dieser Lehre ist der Mensch keine Maschine, er funktioniert aber wie eine Maschine“ (Probst, 1992, S. 424). Man ist davon überzeugt, man könne diese Funktionen des menschlichen Wesens am Laufen halten, indem hauptsächlich an einer Schraube Einstellungen vorgenommen werden: am Lohn, dem einzigen Anreiz des gemeinen Arbeiters. Geht man von der Voraussetzung aus, der Mitarbeiter vermietet seine Arbeitskraft gegen Geld an das Unternehmen, ohne dabei weitere Interessen befriedigen zu wollen, ist dieser Ansatz des Scientific Managements durchaus nachvollziehbar und in sich schlüssig. „Dass mit der Erfüllung des Arbeitsvertrags auch andere Bedürfnisse verbunden sein könnten, wird nicht in Erwägung gezogen“ (Probst, 1992, S. 423).
Trotz allem wird dieser wissenschaftliche Ansatz einerseits in vielen Bereichen auch heute erfolgreich angewendet und andererseits kann dies auch durchaus sehr sinnvoll sein. Klar, die Voraussetzungen haben sich geändert und die Existenz einer Vielzahl anderer Motivatoren neben finanziellen Anreizen ist weitläufig bekannt. Letztlich basiert aber jede erfolgreiche Prozessoptimierung – ob sie in großen Sprüngen oder kontinuierlich durchgeführt wird – auf dieser Methode der genauen Untersuchung der Situation vor Ort. Viele Wissenschaftstheoretiker würden sich sicherlich freuen, wenn ein modernes Scientific Management – basierend auf aktualisierten Voraussetzungen – verstärkt den Einzug in die Organisationsabteilungen der Unternehmen finden würde.
Fussnoten:
14
1856 bis 1915
15
Man kann hier eine Parallele ziehen zum mechanistischen Menschenbild
von René Descartes zu Beginn der Neuzeit, bei dem im Rahmen
philosophischer Untersuchungen alles mittels mathematischer und
naturwissenschaftlicher Methoden in kleinste Einzelteile zerlegt
wird, um damit den Menschen beziehungsweise das gesamte Weltbild
erklärbar zu machen.
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