Kontinuierliche Verbesserung als Managementtechnik
4.1.4 Muda und Aktivitäten ohne Wertzuwachs reduzieren
Neben der Variabilität möchten schlanke Ansätze vor allem auch Verschwendung (japanisch Muda) jeglicher Art vermeiden oder zumindest verringern. Aber welche Tätigkeit gilt als Verschwendung, welche nicht? „Um ein operationales Maß … definieren zu können, müssen wir notwendige Aktivitäten von nicht notwendigen unterscheiden. Erstere sind Aktivitäten mit Wertzuwachs, also Aktivitäten, für die der Kunde bereit ist zu zahlen … Letztere sind Aktivitäten ohne Wertzuwachs, für die der Kunde nicht zu zahlen bereit ist. Sie bringen keinen Wertzuwachs, müssen aber auf Grund der gegebenen Bedingungen erbracht werden und implizieren dadurch versteckte Verschwendung“ (Pfeiffer & Weiß, 1992, S. 47). Muda führt also zu höheren Kosten, ohne den Wert für den Kunden zu steigern.
Nun kann man sämtliche Aktivitäten im Unternehmen oder innerhalb eines Prozesses aufdröseln und hinsichtlich ihres Beitrags zum Wertzuwachs untersuchen. Oft werden die unerwünschten Anteile beziehungsweise die zugrunde liegenden Begebenheiten in sieben Arten der Verschwendung eingeteilt, die es zu beseitigen gilt (Mählck & Panskus, 1995, S. 25). Diese sieben Arten, die je nach Umfeld unterschiedlich bezeichnet werden, entspringen ursprünglich dem Toyota Produktionssystem (vgl. Kapitel 4.2.3). In Abbildung 12 sind sieben zentrale Elemente dargestellt.
Abbildung 12 – Sieben Arten der Verschwendung
In der Realität kann eine Aktivität oft mehrere Verschwendungen nach sich ziehen. Die verzogenen Kartonagen des oben erwähnten Nahrungsmittelproduzenten führen zum Beispiel zu langwierigen Nacharbeiten, weil die Verpackung manuell in die richtige Position gerückt und teilweise sogar vollständig ersetzt werden muss. Außerdem muss die eigentliche Produktion Wartezeiten hinnehmen, weil die hergestellten Waren durch die Mängel nicht in gleicher Geschwindigkeit verpackt werden können.
Manchmal kann auch eine übermäßige Erfüllung
von Anforderungen eine Verschwendung darstellen, da insbesondere
nicht benötigte Eigenschaften eines Produktes für den
Kunden keinen Mehrwert darstellen (vgl. Kapitel 2.1.3), aber in der
Regel bei der Herstellung Ressourcen verbrauchen. Betrachtet man
beispielsweise ein Produkt B, das aus drei Vorprodukten A1,
A2 und A3 zusammengebaut wird. Nun möchte
man im Rahmen eines Six Sigma-Projektes die Herstellungsdauer für
die drei Vorprodukte aneinander angleichen, damit ohne Wartezeiten
der Zusammenbau stattfinden kann. Dazu legen die Verantwortlichen von
Produkt B Spezifikationsgrenzen von 77 bis 84 Minuten für die
Herstellung der Vorprodukte fest, das heißt nach erfolgreichem
Abschluss der Optimierung mittels Six Sigma kann in 99,99966 Prozent
der Fälle nach spätestens 84 Minuten61
mit dem Zusammenbau begonnen werden (vgl. Kapitel 3.3). Nun wäre
es überflüssig, wenn ein besonders engagierter
Teilprojektleiter seinem Team aufwendige Anstrengungen abverlangen
und schnellere Maschinen anschaffen würde, um Produkt A2
mit einem Niveau von 6σ in 80 oder 81 Minuten zu produzieren
(was einem höheren Sigma-Niveau bezüglich der oben
genannten Spezifikationsgrenzen entspricht). Produkt B kann ja
nachwievor erst dann zusammengebaut werden, wenn auch A1
und A3 bereit stehen
62.
Gerade durch das mathematisch fundierte Vorgehen bei Six Sigma kann
hier auf Basis von statistischen Kennzahlen entschieden werden, was
als Verschwendung anzusehen ist und was nicht.
Typische Quellen für enorme Verschwendung im Büroalltag stellen Änderungen innerhalb von Dokumenten dar. Man betrachte beispielsweise eine Präsentation mit hundert Folien, die als Standardvorlage für mehrere Kunden verwendet werden soll. Dieser Foliensatz wird dann für jeden Vortrag individuell angepasst: man fügt ein Logo hinzu, erwähnt an einigen Stellen den Kundennamen, passt die aktuellen Termine an das Projekt an, ersetzt einige Folien durch andere et cetera. Werden aber in einer kundenspezifischen Version solche Änderungen vorgenommen, die auch in die Standardvorlage übernommen werden sollten (beispielsweise neu hinzu gekommene Aspekte, Tippfehler, veraltete Daten), können diese nur dann in einer effizienten Art und Weise übertragen werden, wenn sie in irgendeiner Form dokumentiert sind. Häufig wird hier eine Zeitverschwendung in hohem Maße produziert, indem man alle Folien per Hand auf relevante Änderungen durchforsten muss. Gleichzeitig erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich durch die manuelle Anpassung neue Fehler einschleichen. Zusätzlich erhöht wird eine solche Verschwendung, wenn mehrere Personen eine Datei bearbeiten und dabei Redundanzen entstehen, die nicht behoben werden. Im heutigen Zeitalter der Informationstechnologie gibt es eine Vielzahl von Programmen, die ein umfassendes Variantenmanagement der unterschiedlichen Dokumente ermöglichen und so jede Änderung schnell und übersichtlich darstellen können. Ein typisches Beispiel für eine solche Versionierung findet man auf jeder Einzelseite der Enzyklopädie Wikipedia im Internet.
Fussnoten:
61
Genau genommen sogar in mehr als 99,99966 Prozent, da hier auch die
Fälle hinzu zu zählen sind, in denen die Herstellungsdauer
unter 77 Minuten liegt.
62
Hier ist sicherlich abzuwägen, ob die verkürzte
Produktionszeit von Produkt A2 nicht auch noch andere Vorteile mit
sich bringt, die das höhere Sigma Niveau rechtfertigen könnten.
Ebenso sollten die Optimierungspotentiale nicht in Vergessenheit
geraten, damit sie in Zukunft bei Bedarf genutzt werden können.
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