Kontinuierliche Verbesserung als Managementtechnik
4.4.4 Die Gefahr der Kennzahlen
Als Leitfaden mögen solche Konstrukte durchaus ihre
Berechtigung haben. Und auch wenn Studien den Unternehmen, die solche
Modelle verwenden, eine bessere Entwicklung in Hinblick auf Gewinn
und Umsatz et cetera bescheinigen88:
sie dürfen nur als Wegbegleiter verstanden werden, bei denen man
sich im Wandel der Unternehmenskultur von Zeit zu Zeit ein Feedback
holen kann. Die unternehmensspezifischen Lösungen
(Qualitätswerkzeuge) müssen individuell diskutiert und
gelebt werden und die vollste Unterstützung seitens des
Managements genießen. Erst wenn die Mitarbeiter die neuen
Prinzipien verinnerlicht haben und sie in der Mehrzahl für gut
heißen, folgen die Möglichkeiten für Auszeichnungen
wie beispielsweise eine Zertifizierung nach ISO 9000 ff, ein
bestimmter Level of Excellence oder einer von vielen
Qualitätspreisen
89
fast von alleine
90.
Dann können sie auch als Qualitätssicherungssystem
eingesetzt werden, um ein mögliches Abrutschen auf einen
niedrigeren Standard frühzeitig anzuzeigen.
Deming steht den Kennzahlen im Allgemeinen sogar noch kritischer
gegenüber. So stellen drei seiner oft zitierten Sieben
tödliche Krankheiten in einem Unternehmen eine
einseitige Fokussierung auf Unternehmenszahlen und eine
Quantifizierung der Qualität an den Pranger: „Die
Konzentration auf kurzfristige Ziele und schnelle Dividenden …
Ein zu ausgeprägtes Sich-Verlassen auf die Bewertung der
Leistungen, Verdienste oder Jahresberichte …
Organisationführung ausschließlich anhand sichtbarer
Zahlen“ (Pfeifer, Schmitt, & Masing, 2007, S. 21). Und
diese Haltung entspringt nicht etwa einer generellen Abneigung gegen
Zahlen und Fakten. Deming ist neben seinem Engagement im
Qualitätsmanagement Physiker und Statistiker91
und sieht beispielsweise gerade in der statistischen Prozesssteuerung
enormes Potential für viele Unternehmen. Oftmals ist es Sinn und
Zweck von mathematischen Funktionen (und Kennzahlen, die nach einer
gewissen Vorschrift berechnet werden, sind nichts anderes), einen
mehrdimensionalen, hochkomplexen Zusammenhang auf eine ordinale Zahl
zu verdichten und damit schnell und übersichtlich miteinander
vergleichbar zu machen. Wichtig ist jedoch das Verständnis
dafür, wie und aus welchem Grund sich die Zahl herleiten lässt.
Es geht nicht um eine generelle Verteufelung aller Unternehmenszahlen
beziehungsweise der Zertifizierungsmöglichkeiten. Vielmehr geht
es darum, diese nicht über zu bewerten und sinnvoll einzusetzen.
Ebenso dürfen die motivierenden Aspekte für ein
Unternehmen, das sich als Ziel beispielsweise einen bestimmten,
offiziell bescheinigten Status setzt, nicht unbeachtet bleiben.
Gerade solche Anreize stellen oft auch einen Einstieg in die
Verankerung kontinuierlicher Verbesserungsprozesse, schlanker
Organisationsstrukturen oder umfassender QM-Systeme dar.
Fussnoten:
88
Laut einer Langzeitstudie (Zeitraum: zehn Jahre) von Vinod Singhal
und Kevin Hendricks am Georga Institute of Technology in Atlanta
(USA) schneiden Unternehmen, die einen Qualitätspreis gewonnen
haben, in puncto Aktienkursentwicklung, Gewinn, Umsatz et cetera
signifikant besser ab als andere Unternehmen (Singhal &
Hendricks, 2000, S. 1537f).
89
Sehr bekannte und renommierte Qualitätspreise sind
beispielsweise der Deming-Preis (Japan), der Malcolm Baldrige
National Quality Award (USA) oder der EFQM-Excellence-Award, ehemals
European Quality Award (Europa).
90
Man beachte in diesem Zusammenhang auch, dass die meisten
Zertifizierungen und Qualifizierungen oft mit sehr hohen Kosten für
das Unternehmen verbunden sind. Die meisten Organisationen, die
solche Dienste anbieten, generieren den Großteil ihrer
Einnahmen aus solchen Quellen.
91
Deming promoviert 1927 an der renommierten Yale University in
Connecticut (USA) zum Doktor der mathematischen Physik und arbeitet
später unter anderem auch als statistischer Berater in
unterschiedlichen US-Ministerien (Wiki-Deming).
» Inhalt » zurück » vor » Quellen
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Gemäß dem Urheberrechtsgesetz (§51 UrhG) kann aber gerne aus diesem Text - mit Quellenangabe und Verweis auf den Autor - zitiert werden. Als Quelle bitte angeben: http://www.robert-bauer.eu/kvp.php
Der Text wurde in Zusammenarbeit mit der KARER CONSULTING erstellt. Falls nichts anderes angegeben, liegen daher die Bildrechte der Grafiken und Abbildungen bei der KARER CONSULTING sowie beim Autor. Sie dienen ausschließlich dem besseren Verständnis des hier veröffentlichten Textes und dürfen nur nach schriftlicher Zustimmung für andere Zwecke (insbesondere Veröffentlichungen und Verwendung in Präsentationen oder Konzepten) verwendet werden.
In diesem Dokument wird an einigen Stellen die Bezeichnung „ViT: Verbesserungen im Team” verwendet. Dies ist ein für die KARER CONSULTING geschütztes Markenzeichen.