Kontinuierliche Verbesserung als Managementtechnik
5.1.8 Ursachensuche im gruppenbasierten Kaizen
Ein wesentlicher Bestandteil der Kaizen-Philosophie ist die
kontinuierliche Suche nach Veränderungs- und
Verbesserungsmöglichkeiten im gesamten Unternehmen und
insbesondere direkt vor Ort im Arbeitsumfeld der Mitarbeiter.
Probleme und Fehlermöglichkeiten sollen nachhaltig und nicht nur
kurzfristig beseitigt werden (vgl. beispielsweise die Kapitel 4.1.6,
4.2.6 und 5.1.3). Hierfür können sogenannte Kaizen-Gruppen
(Qualitätszirkel, Kleingruppen, Teams et cetera) eingesetzt
werden, in denen vor allem die Mitarbeiter aus den betroffenen
Bereichen an der Entwicklung von umsetzungsfähigen Lösungen
mitwirken sollen. Die Kaizen-Kultur unterstreicht damit den
human-orientierten Ansatz, den wir im Kapitel 2.2.7 empfehlen. Diese
Grundüberzeugung fördert die Motivation der Mitarbeiter und
ihre Identifikation mit den Herausforderungen ihrer Arbeit, da sie
ihre eigenen Prozesse mitgestalten können. Führt ein in der
Gruppe entwickelter und ausführlich besprochener
Veränderungsvorschlag zu Mehrarbeiten bei einigen oder allen
Teilnehmern, hat dieser trotzdem eine große Chance auf eine
dauerhafte Realisierung, weil er „als Ergebnis ihrer eigenen
Vorschläge zustande gekommen ist“ (Imai, 1993, S. 140) und
er damit vom Team getragen wird. Ebenso können in den
innerbetrieblichen Arbeitskreisen gruppendynamische Vorteile für
den Arbeitsbereich und die Entfaltung einer lernenden Organisation
(vgl. Kapitel 2.2.6) aktiviert werden. Mittlerweile gibt es eine
Vielzahl unterschiedlicher Arten von Arbeitsgruppen, die sich
teilweise in ihrer Zusammensetzung und Zielsetzung, ihrem
Verantwortungsbereich und Handlungsspielraum deutlich unterscheiden.
In der vorliegenden Abhandlung konzentrieren wir uns auf solche
Teams, die einerseits eine konkrete Problemlösung oder
andererseits die Umsetzung von Potentialen im Fokus haben112.
Die Kaizen-Gruppen werden einberufen, wenn zum Beispiel während des Produktionsablaufs Schwierigkeiten auftreten, die nicht sofort in zufriedenstellender Qualität gelöst werden können. Grundlage für ein solches Zusammenkommen können mündlich oder schriftlich formulierte Beobachtungen und Schilderungen sein. Oft helfen sogenannte Qualitätsregelkarten, die Diskussion auf die zentralen Aspekte zu fokussieren. Sie zeigen an, ob die produzierten Artikel innerhalb der definierten Anforderungsgrenzen liegen, ob es sich bei mangelhaften Ergebnissen um einzelne Ausreißer handelt (die trotzdem für die Zukunft ausgeschlossen werden sollen) oder systematische Probleme vorliegen. „Kontrollkarten werden geführt, damit man auf Grund der Bewegung der Punkte auf den Karten die Veränderungen im Produktionsprozess ablesen kann“ (Imai, 1993, S. 182). Dieses Hilfsmittel stellt Stichprobenwerte von gewissen Eigenschaften eines Teilproduktes oder Prozessschrittes grafisch dar und kann durch die Angabe von festgelegten Warn- oder Eingriffsgrenzen ausgewertet werden (vgl. Abbildung 32).
Abbildung
32 – Qualitätsregelkarte für die Länge von
Metallstücken113
In den Teamsitzungen können Potentiale diskutiert werden, die sich beispielsweise aus der Abarbeitung der Kaizen-Checklisten (vgl. Kapitel 5.1.5) oder aus einer zu niedrigen Gesamtanlageneffektivität (vgl. Kapitel 5.1.7) ergeben. Oder das Team trifft sich, um innerhalb der Gruppe nach generellen Problemen und Potentialen in ihrem Arbeitsumfeld zu suchen. Verschwendung tritt „nicht immer offen zutage, sondern verbirgt sich in der Alltagsroutine. Wenn es dafür keinen klaren Rahmen gibt, fällt die Entscheidung schwer, sich der Mühe zu unterziehen, eine spezielle Art von Verschwendung auszuräumen“ (Imai, 1993, S. 295). Diesen nötigen Rahmen bilden die Kaizen-Gruppen, die nur dann zu konkreten Ergebnissen kommen können, wenn das Management und die jeweiligen Vorgesetzten den Teilnehmern genügend Freiraum zum kritischen und offenen Mitdenken und Mitentscheiden zugestehen. „Daraus resultiert eine neue Rollenverteilung … Die Grundphilosophie besteht dabei darin, möglichst viel Verantwortung für Planung und Kontrolle an die Arbeiter zu delegieren und sie damit zu höherer Produktivität und Qualität zu motivieren“ (Imai, 1993, S. 128). Gleichzeitig wird dadurch das Management entlastet und durch die entstehenden Kooperationen der Mitarbeiter untereinander eine ständige Verbesserung gefördert.
Eine Hauptaufgabe der Kaizen-Gruppen ist das Aufspüren von Ursachen für Verschwendung oder ein Problem an einem Produkt beziehungsweise im Prozessablauf. Dies ist auch sinnvoll, wenn genügend Daten oder Signale aus Kontrollpunkten vorliegen und man beispielsweise in der Analyse-Phase eines Six Sigma-Projektes (vgl. Kapitel 3.3) oder bei der Berechnung der OEE (vgl. Kapitel 5.1.7) Hinweise vorliegen hat, an welchem Einflussfaktor die Verbesserungen ansetzen sollten. Daten als Informationseinheiten sind Ergebnisse der Modellierung von mehr oder weniger komplexen Zusammenhängen und daher sehr wertvoll für sämtliche Kaizen-Aktivitäten. Statistische Qualitätskontrolle bedarf immer der Menschen, die die Zahlen interpretieren und aussagekräftig machen (vgl. Kapitel 4.4.4). In der Gruppendiskussion können die ursächlichen Gründe für das Zustandekommen von bestimmten Kennzahlen oder beobachtete Phänomene herausgearbeitet werden. Als Methoden eignen sich beispielsweise unterschiedliche Arten der moderierten Ideenfindung, Kreativitätstechniken oder ein klassisches Brainstorming, bei denen die Teilnehmer ihren Gedanken freien Lauf lassen können und so in kurzer Zeit unterschiedlichste Ursachen für ein bestimmtes Problem festhalten können. Wichtige Aspekte zum zielführenden Aufspüren von Ursachen sind in Kapitel 5.2.6 beschrieben.
Fussnoten:
112
Die genaue Organisation der Kleingruppen (Teilnehmer, Termine,
Vorgehen et cetera) wird im Abschnitt zum kontinuierlichen
Verbesserungsprozess (Kapitel 5.2) beschrieben, weil sie dort einen
essentiellen Bestandteil darstellen.
113
vgl. hierzu auch das Beispiel in Kapitel 3.3
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