Kontinuierliche Verbesserung als Managementtechnik
5.2.03 Cross-funktionale Teams
Für die Bearbeitung der Probleme und Potentiale werden
kleinere cross-funktionale Gruppen122
einberufen, in denen genau die Personen vertreten sind, die für
die Lösung der Aufgaben als geeignet erscheinen. Insbesondere
sind darin meist Personen aus anderen Bereichen oder Abteilungen
vertreten, in einigen Fällen können (je nach Komplexität
und Themenumfeld) auch externe Berater und Fachleute, Vertreter von
Zulieferern oder von Kundenfirmen hinzugezogen werden (vgl. Abbildung
38).
Eine solche Zusammensetzung bringt einige Vorteile und bei
ungenügender Organisation auch Nachteile mit sich.
Schwierigkeiten könnten zum Beispiel entstehen, wenn einerseits
eine funktionale Gruppe vom Problem betroffene Bereiche im
Unternehmen – aus welchem Grund auch immer123
– nicht zu einer Problemlösesitzung einlädt und deren
Interessen damit übergeht. Andererseits können sich
Mitarbeiter (und deren Vorgesetzte) vor den Kopf gestoßen
fühlen, wenn sie unvorbereitet und ohne die Angabe von
Hintergrundinformationen zu Problembesprechungen eingeladen werden,
für die sie auf den ersten Blick keine sinnvollen Beiträge
leisten können. Meist wird ein Sachverhalt, der für die
funktionale Gruppe in Bereich A ein Problem darstellt, in dem anderen
Bereich B gar nicht als Problem wahrgenommen, auch wenn die Ursache
für den Mangel möglicherweise im Bereich B zu suchen ist.
Bei richtiger Anwendung können cross-funktional organisierte Gruppen zwei wesentliche Vorteile mit sich bringen. Erstens können durch deren Einsatz Probleme an den Schnittstellen zwischen mehreren Bereichen und Aufgaben bearbeitet und gelöst werden. Erst wenn alle betroffenen Abteilungen zusammenkommen und im gegenseitigen Austausch die unterschiedlichen Perspektiven und Sichtweisen aufdecken, wächst ein Verständnis für die Gründe, warum und wieso gewisse Handlungen durchgeführt werden und warum sie verbessert werden sollten. Gerade in einem ziehenden System (vgl. Kapitel 4.1) ist der nachfolgende Produktionsschritt auf eine reibungslose Zusammenarbeit mit dem Vorgänger angewiesen. In einer cross-funktionalen Gruppe können Reibungspunkte geklärt und der gesamte Prozessablauf entschlackt werden. Die Gruppen fördern damit eine bessere Abstimmung und Zusammenarbeit aller Mitarbeiter im Unternehmen und können die Ziele des Managements besser umsetzen. Starres Abteilungsdenken mit einer starken Konkurrenz untereinander wird abgebaut, weil mit jeder cross-funktionalen Verbesserung die Argumente abnehmen, die Ursachen für bestehende Mängel dem anderen Bereich anzulasten. Finden kontinuierlich mehrere übergreifende Meetings zwischen zwei Bereichen statt, profitieren in der Regel beide Seiten von den Verbesserungen, auch wenn eine einzelne Maßnahme unter Umständen zu Mehraufwand auf nur einer Seite führen kann.
Abbildung
38 – Cross-funktionale Gruppen für die Problemlösung124
Zweitens führt eine Problemlösung mittels
cross-funktionaler Gruppen zu einem schlankeren und effektiveren
Verbesserungsprozess an sich, falls Führungskräfte ihren
Mitarbeitern ein eigenständiges Arbeiten inklusive einer
gewissen (klar definierten) Entscheidungsbefugnis zugestehen.
Betrachten wir zunächst ein exemplarisches Vorgehen in einem
Unternehmen, das keine abteilungsübergreifenden Gruppen zur
Problemlösung einsetzt. In einem Arbeitsbereich eines
Mitarbeiters der Abteilung A tritt ein überschaubares
Problem125
auf, für dessen Ursache er ein Vorgehen in Abteilung B
verantwortlich macht (siehe gelbes und grünes Kästchen in
Abbildung 39). In der Regel wird sich der Mitarbeiter zunächst
an seinen Abteilungsleiter wenden mit der Bitte, dieser solle das
Problem bei einem Treffen mit dem Leiter von Abteilung B ansprechen.
Wegen der größeren Verantwortungsbereiche der beiden
Bereichsleiter findet auf der Führungskräfteebene eine
vielschichtige und oft komplexe Kommunikation zu diversen Themen
statt. Das Anliegen des eigenen Mitarbeiters liegt daher in vielen
Fällen auf Grund einer anderen Perspektive relativ weit unten
auf dessen Prioritätenliste. Nicht selten braucht es mehrere
Führungskräfte-Meetings bis das Thema beim Abteilungsleiter
B angekommen ist. Unter Umständen bleibt das Problem an dieser
Stelle hängen, weil dieser für seine eigenen Mitarbeiter
derzeit aus seiner Sicht wichtigere Aufgaben vorgesehen hat oder er
eine genauere Prüfung der Angelegenheit bis auf Weiteres
vertagt. Andernfalls kommt das Anliegen letztendlich bei den
Mitarbeitern in Bereich B an und wird dort bearbeitet. Ob der Mangel
nach dieser relativ langen Zeit und über mehrere
Informationsträger hinweg in der gewünschten Qualität
(aus Sicht des Mitarbeiters der Abteilung A) behoben ist, bleibt an
dieser Stelle offen.
Abbildung 39 – Schlankere Abläufe durch cross-funktionale Gruppen
In einem Unternehmen, das für solche Probleme cross-funktionale Gruppen einsetzt, kann die Mängelbeseitigung enorm beschleunigt werden und gleichzeitig die Führungskräfte entlasten. Im Rahmen der ViT-Systematik kann der Mitarbeiter aus Abteilung A das Problem in der funktionalen Gruppe ansprechen. Anschließend bildet sich ein cross-funktionales Team, zu der insbesondere die Personen eingeladen werden, die in Bereich B für den mutmaßlichen Ursachenbereich des Problems zuständig sind. Es entsteht eine direkte und unmittelbare Kommunikation mit Fokus auf die zu beseitigende Angelegenheit. Je nach Umfang und Auswirkung der erarbeiteten Verbesserungsmaßnahmen können die beiden Abteilungsleiter über die Aktivitäten informiert oder mit einem konkret formulierten Vorschlag zum Treffen einer Entscheidung aufgesucht werden. Da diese Ideen von Mitgliedern aus beiden Abteilungen getragen werden, ist eine positive und zügige Entscheidung in den meisten Fällen zu erwarten.
Fussnoten:
122
Wie bei den funktionalen Gruppen lassen sich solche Konzepte analog
auch auf zum Beispiel prozessual ausgerichtete Organisationformen
übertragen.
123
zum Beispiel hausinterne Konflikte und ein zu starkes
Konkurrenzdenken zwischen den Abteilungen
124
in Anlehnung an (KC-Führungskräfteinfo, 2009, S. 38)
125
Wir sprechen hier nicht von einem Routinevorfall, der beispielsweise
über die Weitergabe von Kanbans (vgl. Kapitel 4.1.9) zwischen
zwei Mitarbeitern oder die Steuerung mittels Andon-Tafeln (vgl.
Kapitel 4.1.6) geregelt werden kann.
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